314
Neueste Geschichte. 5. Periode.
guter Ordnung zurückgezogen undbenedek, welcher die Piemon-
tesen bei San Martino geschlagen hatte, erhielt mitten in seinem
Siegeslauf Befehl zum Rückzug.
Wie bei Magenta hatte der Soldat — noch überdies mit
leerem Magen — glorreich gestritten; aber Oestreichs altes Ver-
hängnis sich durch elendes Commando die besten Armeen ruini-
ren zu lassen, hatte auch hier gewaltet.
Die Oestreicher verloren 3300 Todte und 10,500 Verwun-
dete, während 9000 vermißt wurden; die Franzosen verloren 12,000,
die Sardinier 5000. Der Held des Tages war Niel, wie bei
Magenta: Mac Mahon, welcher dafür den Titel eines Herzogs
von Magenta erhalten hatte.
Indessen war selbst nach dieser neuen Niederlage die Stel-
lung der Oestreicher nichts weniger als verzweifelt, um so weniger
als gerade in jenem Augenblicke Preußen sehr energische Ent-
schließungen gefaßt hatte, welche fast nothwendig zu einem
Kriege mit Frankreich führen mußten; alle Welt war daher aufs
Aeußerste überrascht, als rasch hinter einander sich die Kunde
von dem in Folge einer persönlichen Zusammenkunft der beiden
Kaiser zu Villafranca abgeschlossenen Waffenstillstand (8. Juli)
und Frieden (11. Juli) verbreitete.
Oestreich trat in Folge dieses Friedens die Lombardei ab
(leider auch das Stilsser-Joch, welches bisher Tirol schützte), be-
hielt aber Venedig und das Festungsviereck. Auch die mittel-
italienischen Fürsten sollten hergestellt, die Staaten Italiens aber
zu einem Bunde unter dem Vorsitz des Papstes vereinigt werden.
Auf einer später in Zürich zusammentretenden Conferenz, von
welcher jedoch die übrigen europäischen Staaten ausgeschlos-
sen blieben, sollten die Specialitäten des Vertrages verabredet
werden.
Die Ueberraschung, mit welcher Europa diese Nachrichten
aufnahm, wurde noch vergrößert durch die Proclamation, mittels
deren Kaiser Franz Joseph seinen Völkern von dem Abschluß
des Friedens Kunde gab, indem er darin nicht undeutlich die
Schuld seines Mißerfolgs auf Preußen schob. — Erst spätere
Enthüllungen, namentlich die Erklärungen der Minister im eng-
lischen Parlament, klärten das Räthsel mindestens zum Theil auf
und ließen den Kaiser Franz Joseph als Opfer einer Mystification
erscheinen.
Preußen aber erhielt die glänzendste Rechtfertigung durch
TM Hauptwörter (50): [T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr], T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Oestreich Franz_Joseph Franz Franz_Joseph Franz
Extrahierte Ortsnamen: Magenta Magenta Mahon Magenta Stel- Frankreich Villafranca Italiens Zürich Europa
318
Neueste Geschichte. 5. Periode.
baldi Palermo, unterstützt durch die in der Stadt angezettelten
Verständnisse und machte sich zum Herrn derselben, indem die
Neapolitaner in die Forts gedrängt wurden. — Aber auch hier
hielten sie sich nicht; vielmehr kam es zu einer Capitulation, in
Folge deren Lanza mit allen Truppen sich einschiffte und Sicilien
den Siegern überließ. Nur in Messina hielten sich die tapfern
Truppen unter Befehl des alten, 75jährigen General Fergola.*)
Inzwischen hatte man aber auch im festländischen Theil des
Königreichs vorgearbeitet und während die arglistigen Rath-
schläge Sardiniens den König vermochten, die alten Formen der
Regierung zu beseitigen und dieselben zu desorganisiren, wurden
seine Räthe und Generäle durch Bestechung gewonnen. Die Anarchie
nahm überhand und der Augenblick für Garibaldi war da, um
in Calabrien zu landen (August 1860). Er besetzte Reggio
und schlug die ihm entgegengeschickten Truppen bei Piale. Bald
aber hatte man nicht mehr nöthig, sich zu schlagen; die neapoli-
tanische Armee lief von selbst auseinander. Am 5. September
durfte Garibaldi ungehindert bei Salerno landen und seinen Einzug
in Neapel halten. — Der König, welcher noch kurz vorher eine
Armee von 80,000 Mann gehabt hatte, floh nach Gaeta und der
kühne Abenteurer wagte sich fast ganz ohne Begleitung in die
Hauptstadt, welche ihn jubelnd empfing. Das Wappen der Bour-
bons wurde überall abgerissen, Heer und Flotte huldigten dem
Usurpator; zunächst der Minister Liborio Romano, welcher der
Minister der neuen Gewalt wurde.
Aber Victor Emanuel täuschte sich, wenn er glaubte, Gari-
baldi werde ihm ohne Weiteres das eroberte Königreich über-
geben; vielmehr wies derselbe das Ansinnen, welches ihm schon nach
der Eroberung Siciliens gestellt worden war, abermals zurück
mit der Erklärung: „Keine Annexirung! Ich werde das neue
*) Ein italienisches Blatt entwirft von ihm folgendes Bild: Der 75jährige
Soldat und starrköpfige Sonderling kennt nichts als seine Consigne, besucht jeden
Morgen drei Messen, läßt keinen Tag vorübergehen, ohne in Gemeinschaft mit
seinen Soldaten den Rosenkranz zu beten, spielt Abends Trik-trak mit dem Major
Gnillomat, aber er capitulirt nicht, ergiebt sich nicht und fragt gar nicht, was
in der Welt vorgeht. Alan sagt ihm: die Garibaldini sind über die Meerenge
hinüber und haben die Armee von Monteleonc aufs Haupt geschlagen. „Das
ist nicht meine Sache," antwortete er mit philosophischer Kälte. Man meldet
ihm die Einnahme Neapels. Er sammelt die Garnison auf dem Glacis und
Alles ruft: „Es lebe der König!"
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Extrahierte Personennamen: Lanza Garibaldi August Liborio_Romano Victor_Emanuel Alan
320
Neueste Geschichte. 5. Periode.
Ungestüm auf die Stellungen der Garibaldiner, namentlich bei
Caserta und Madd aloni. Von drei Uhr Morgens bis vier Uhr
Nachmittags dauerte die Schlacht und alle Berichte stimmen darin
überein, daß Garibaldi in der höchsten Gefahr schwebte, wäre ihm
nicht durch den schmählichsten Verrath Hülfe gebracht worden.
Während nämlich noch äußerlich die freundschaftlichsten Bezie-
hungen zwischen Neapel und Turin bestanden und der neapoli-
tanische Gesandte in Turin im amtlichen Verkehr mit dem dor-
tigen Cabinet stand, leisteten piemontesische Truppen den
Garibaldinern wirksame Hülfe.
Die Herrschsucht Victor Emanuels, welchen man den König
Ehrenmann genannt, zeigte sich jetzt ohne Scheu, und nachdem
er so eben, ohne daß irgend eine Feindseligkeit von Seiten Roms
vorhergegangen war, in die Staaten des Papstes eingebrochen
war, rückte er jetzt (9. October) auf 3 Punkten in das neapoli-
tanische Gebiet ein.
Auch gegen diesen, die Kette moralischer und politischer
Abscheulichkeiten, welche man als italienische Erhebung feiert,
würdig abschließenden Act erhob Europa keinen ernstlichen Wider-
spruch (Spanien und Rußland riefen zwar ihre Gesandten, wie
Frankreich nach der Invasion in den Kirchenstaat ab, Cavour wußte
aber, wie wenig ernsthaft solche Demonstrationen gemeint waren)
und der von aller Welt verlassene König Franz hatte nunmehr
die einzige Aufgabe — mit Ehren zu fallen!
Erfreulicherweise fand dieser junge König, von welchem man
bisher nur mit Geringschätzung gesprochen hatte, jetzt, nachdem
er von den Verräthern verlassen war, die Energie wieder, welche
er zur Lösung seiner Aufgabe bedurfte und die wenigen Leute, die
ihm noch geblieben waren, bewiesen durch ihren Muth und durch
ihre Anhänglichkeit an die königliche Sache, wie leicht es gewesen
wäre, die Garibaldische Invasion zu vereiteln, hätte man nicht
mit einer Felonie ohne Gleichen von Seiten derer, welchen die
Vertheidigung der Dynastie oblag, auf deren Sturz hingearbeitet.
Auf die heldenmüthigen Entschließungen des Königs hatte
die junge, ihm kürzlich erst vermählte Königin Maria (Tochter
des Herzogs Maximilian von Baiern, Schwester der Kaiserin
von Oestreich) den größten Einfluß. Sie hatte sich dem Gedanken
einer feigen Flucht aus dem Königreich widersetzt und indem sie
durch ihren Widerspruch die Pflicht der Königin erfüllt hatte,
erfüllte sie in einer Zeit äußerster Drangsale, welche jetzt über
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Extrahierte Personennamen: Garibaldi Victor_Emanuels König
Ehrenmann Franz Franz Maria_( Maria Maximilian_von_Baiern Maximilian Oestreich
Extrahierte Ortsnamen: Caserta Neapel Turin Europa Spanien Frankreich
Schlacht bei Waterloo.
115
Marschall Grouchy den Preußen mit der übermüthigen Weisung
nach, dieselben „in den Rhein zu stürzen"; die Engländer da-
gegen wollte Napoleon selbst am folgenden Tage angreifen. Wel-
lington, welcher gegen die feindlichen 120,000 Mann nur 80,000
hatte, ließ Blücher um zwei Haufen Unterstützung bitten, und
erhielt zur Antwort, daß Blücher nicht mit zwei Haufen, son-
dern mit dem ganzen Heere kommen würde, und am andern
Morgen ging durch das ganze preußische Lager der Jubelruf:
„Es geht wieder vorwärts!"
Aber schon am frühen Morgen, ehe die Preußen eintreffen
konnten, hatte Napoleon den Kampf gegen Wellington eröffnet.
Dieser stand auf den Höhen von Mont St. Jean, gegen welche
Napoleon seine ganze Heeresmacht mit unbeschreiblichem Ungestüm
heranführte. Mit der fürchterlichsten Erbitterung wurde von bei-
den Seiten gestritten, und es möchte schwer zu entscheiden sein,
welches Heer sich tapferer erwiesen. Napoleon aber meinte, zu-
letzt müsse doch die Uebermacht siegen, und nachdem seine An-
griffe schon drei-, viermal zurückgeschlagen waren, trieb er immer
neue Heeresmassen die Höhen hinan gegen den unerschütterlichen
Feind. Schon bedeckten 10,000 Engländer das Schlachtfeld und
die Kämpfenden waren aufs äußerste erschöpft; mit schwerer Be-
sorgniß rief der englische Feldmarschall aus: „Ich wollte, es wäre
Nacht oder die Preußen kämen!" Da auf einmal donnerten die
preußischen Kanonen im Rücken des Feindes, und mit Dankes-
thränen rief der tapfere Feldherr: „Nun, da ist der alte Blücher!"
Das preußische Heer hatte wegen der sumpfigen Wege nicht frü-
her herbeikommen können, so sehr auch Blücher, als er von fern
den Schlachtendonner hörte, den Marsch beeilt hatte. Jetzt war
zwar auch erst ein kleiner Theil seiner Truppen zur Hand, aber
mit ihnen rückte er sofort in geschlossenen Reihen die Höhen jen-
seit des Feindes herab, erst im Schritt, dann in schnellem Lauf
und mit schmetternder Schlachtmusik. Während nun Napoleon
einen Theil seines Heeres gegen die Preußen umwenden ließ,
wollte er den letzten Augenblick benutzen, um die ermatteten Eng-
länder durch einen nochmaligen verzweifelten Anlauf niederzu-
werfen, und ließ den größten Theil seiner berühmten Garden
mit fürchterlicher Gewalt gegen sie anrücken. Aber auch Welling-
ton nahm seine letzten Kräfte zusammen, und es entspann sich
ein wahrhaft furchtbarer mörderischer Kampf. Die Garde wurde
hart bedrängt und von den englischen Reitern aufgefordert, sich
8*
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Extrahierte Personennamen: Marschall_Grouchy Napoleon Napoleon Jean Napoleon Napoleon Napoleon
154
Neueste Geschichte. 4. Periode. Belgien.
sie den Herzog von Nemours, einen Sohn des neuen Königs
von Frankreich. Dieser aber gab eine entschieden abschlägige
Antwort, und nun fiel im Juni 1831 die Wahl auf den Prinzen
Leopold von Coburg, der kurz vorher den griechischen Thron
ausgeschlagen hatte, jetzt aber die belgische Krone annahm und
am 21. Juli 1831 in Brüssel seinen Einzug hielt.
Jetzt erst kehrte einige Ordnung in das zerrüttete Land zu-
rück; aber noch eine harte Prüfung hatte es ztt bestehen. Der
König von Holland nämlich, der unaufhörlich erneuten Forde-
rungen der Belgier überdrüssig, kündigte ihnen im August 1831
den Waffenstillstand auf und ließ seine Holländer in Belgien
einrücken. Nun ist dies bei weitem bevölkerter als Holland, und
die übermüthigen Belgier hatten stolz aus die Holländer herab-
gesehen. Dafür wurden sie nun gezüchtigt; denn Schlag aus
Schlag wurden sie zurückgeworfen und leisteten so wenig Gegen-
wehr, daß die siegreichen Holländer in kurzem schon in der Nähe
von Brüssel standen und das geschlagene Heer vor sich hertrieben.
Jetzt wäre Belgien ganz in den Händen des Königs Wilhelm
gewesen, wenn nicht die Franzosen den Holländern ein Halt zu-
gerufen hätten. Sie hatten schon immer eine große Vorliebe für
die Belgier gezeigt, und sobald die Holländer den Krieg erneu
ert hatten, war auch ein französisches Heer unter Marschall
Görard in Belgien zum Schutze dieses Landes eingerückt. Gérard
kündigte nun dem Könige von Holland an, er würde Gewalt
brauchen, wenn jener nicht sogleich die Feindseligkeiten einstellte
und sein Heer zurückriefe. In biefen ungleichen Kampf konnte
sich der König natürlich nicht einlassen.
So trat also wieder der ungewisse Zustand zwischen Holland
und Belgien ein. Die Conferenz in London erließ Befehle über
Befehle, die aber bald der eine, bald der andere Theil hartnäckig
verwarf. Zuletzt entwarf sie 24 Artikel, welche dem Frieden zum
Grunde gelegt werden müßten. Belgien nahm sie an, Holland
aber nicht, und so blieb auch da noch ein ungewisser, beiden
Theilen nachtheiliger Zustand. Ganz sichtlich wurde Belgien von
der Conferenz begünstigt. Besonders zeigte Frankreich eine aus-
fallende Parteilichkeit für Belgien, seitdem der König Leopold sich
mit einer Tochter des französischen Königs vermählt hatte, und
zuletzt verlangten England und Frankreich, daß der König von
Holland sogleich die Bedingungen annehmen sollte, welche die
Belgier angenommen hatten. Wilhelm weigerte sich, weil jene
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Extrahierte Personennamen: Leopold_von_Coburg Leopold August Wilhelm Marschall
Görard Gérard Leopold Leopold Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Belgien Frankreich Brüssel Holland Belgien Holland Belgien Holland Holland Belgien London Holland Frankreich Belgien England Frankreich Holland
Kampf gegen Oestreich.
229
nand, welcher den Ungern weitgehende Verheißungen gemacht
hatte, die Krone niederlegte, protestirten die Ungern dagegen
und wollten Franz Joseph nicht früher anerkennen, bis er in
Ungarn gekrönt wäre und ihre besondere Verfassung anerkannt
hätte. Kossuth erließ an das ganze Land die feurigsten Aufrufe
und sammelte in kurzer Zeit ein Heer von 200,000 Mann.
Im December rückte der neuerdings zum Oberbefehlshaber
einer großen Armee ernannte Fürst Windischgrätz in Ungarn
ein und kam in den ersten Tagen des Jahres 1849 vor Ofen.
Kossuth zog sich nach Debreczin zurück, indem er die ungari-
sche Krone (des heiligen Stephan) und die Reichsinsignien mit-
nahm. Windischgrätz hielt mit Jellachich seinen Einzug in Ofen
und Pesth, während im Süden und Osten, besonders in Sieben-
bürgen, die slavischen Stämme den fürchterlichsten Kampf gegen
die Magyaren fortsetzten. Dem polnischen General Bern, welcher
den Oberbefehl über die ungarischen Truppen in Siebenbürgerr
erhielt, gelang es zwar, einen Theil der Slaven, die Walachen
und die Szekler, zu gewinnen und nun mit ihrer Hülfe die
Sachsen und Siebenbürgen desto härter zu bedrängen; diese
riefen jedoch die Russen zu Hülfe, welche dort fürerst mit
6000 Mann einrückten und dadurch den Oestreichern den Kampf
erleichterten.
Aber immer heftiger entbrannte die nationale Wuth der
Magyaren, welche sich durch eine Anzahl tüchtiger polnischer
Führer, Dembinski u. A., verstärkten und unter Görgey,
Klapka n. A. den Oestreichern bald empfindliche Niederlagen
beibrachten. Bem verdrängte die Russen und die Oestreicher
wieder aus Siebenbürgen, die Festungen S z e g e d i n, Arad und
das starke Kon:orn widerstanden den Stürmen der östreichischen
Armee und in: April konnten die Magyaren bereits wieder in
Pesth einziehen. Fürst Windischgrätz wurde nun abberufen und
durch den Feldmarschall tunt Melden ersetzt, aber auch dieser
vermochte dem Vordringen der Magyaren nicht Einhalt zu thun;
die Belagerung Komorns wurde aufgegeben und Ofen fiel nach
dem fürchterlichsten Kampf in die Hände Görgey's. Im Jubel
über ihre Siege und im Vertrauen auf ihre Kraft erklärten die
Ungern auf dem in Debreczin versammelten Reichstag nun die
Unabhängigkeit Ungarns, und Kossuth wurde als Dic-
tator an die Spitze der provisorischen Regierung gestellt. Von
diesem Augenblick freilich war der Keim des Zwiespalts unter
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Extrahierte Personennamen: Oestreich Franz_Joseph Franz Kossuth Stephan) Dembinski
238
Neueste Geschichte. 5. Periode. Deutschland.
von Malmöe war im März 1849 zu Ende gegangen, und nun
rückten preußische und andere deutsche Truppen von neuem in
Schleswig ein. Die ersten Waffenthaten erregten in allen deut-
schen Landen die freudigste, hoffuungsvollste Beweguug: überall
fochten die deutschen Truppen siegreich, im Hafen von Eckern-
förde wurde durch Strandbatterien das dänische Linienschiff
Christian Viii. in Grund geschossen, die schöne Fregatte „Gefion"
wurde zur Ergebung gezwungen, baiersche und sächsische Truppen
erstürntten die festeil „düppeler Schanzen" gegenüber Alsen unter
dem tapfern Oberstlieutenant von der Tann, — bei Kolding
schlug die holsteinische Armee unter dem preußischen General v^>n
Bonill die Dänen, erzwang den Einmarsch in Jütland und ver-
folgte den Feind bis unter die Wälle von Fridericia. Aber plötz-
lich erlahmte der Kriegseifer bei der preußischen Negierung und
die Truppen derselben wurden immer vorsichtiger und zurückhal-
tender in Berfolgung des Feindes. Der Einfluß Englands und
Rußlands und besonders gewisse Zweifel an der vollständigen
Rechtmäßigkeit der holsteinischen Erhebung hatten diese Wirkung
bei dem preußischen Cabinet hervorgebracht; der Angriffskrieg
wurde bald ganz eingestellt, und dagegen der Weg der Unter-
handlungen von neuem betreten. Ungestraft konnten nun selbst
dänische Truppen von Fünen her der Festurig Fridericia zu Hülfe
kommen ulld der holsteinischen Armee empfindliche Verluste bei-
bringen. Preußen schloß bald darauf ohne Zuziehung der hol-
steinischen Regierung einen Waffenstillstand, worin vorläufig die
Trennung Schleswigs von Holstein zugegeben wurde. In den
Herzogthümern, wie in ganz Deutschland, entstand über diesen
Ausgang des Kampfes eine große Mißstimmung, welche für Preu-
ßens Einfluß sehr nachtheilig gewesen ist.
140. Die preußische Unionspolitik und Wiederherstellung
des Bundestags, 1850—51,
Zu derselben Zeit, wo Preußen die Aufstände, welche wegen
der Ablehnung der Kaiserkrone entstanden waren, im eigenen
Lande und in andern Staaten siegreich bekämpfte, hatte sich
Friedrich Wilhelm Iv. doch veranlaßt gefunden, das in Frank-
furt versuchte Einigungswerk seinerseits wieder aufzunehmen. Er-
halte die ihm angeborene Würde abgelehnt, weil er die mitan-
gebotene Verfassung nicht billigen konnte und weil er den an-
dern deutschen Regierungen keinen Zwang anthun wollte; der
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Extrahierte Personennamen: Christian_Viii Friedrich_Wilhelm_Iv Friedrich Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Schleswig Englands Holstein Deutschland Frank-
Belagerung von Silistria.
261
Weg in das Innere des türkischen Reichs zu öffnen geeignet
war: die Belagerung von Silistria.
Das Unternehmen versprach um so leichtern Erfolg, als die
Türken in ihrer gewöhnlichen Sorglosigkeit weder daran gedacht
hatten, dem verfallenen Zustande der Festungswerke bei Zeiten
abzuhelfen, noch eine entsprechende Besatzung hineinzulegen. In der
Nacht vom 17. bis 18. Mai wurden die Belagerungsarbeiten
gegen die östliche Seite der Festung eröffnet; doch beschränkten
sich die Russen bis zum 27. Mai auf eine starke Beschießung
der Stadt und Festung und versuchten erst am 28. den Sturm
auf Arab Tabia, ein detachirtes Werk, welches nach Angabe der
ehemaligen preußischen Offiziere Kuczkowsky (Muchlis Pascha)
und Bluiil angelegt, den Schlüsselpunkt zu den übrigen Werken
abgab. Die Russen gelangten bis in das Werk selbst, wurden
aber nach einem verzweifelten Handgemenge herausgeworfen und
ihr zweiter und dritter Sturm ebenso tapfer abgeschlagen.
Man mußte sich also auf eine mehr methodische Belagerung
einschränken, bei welcher der tapfere Commandant von Silistria,
Mussa Pascha, seinen Tod fand und Paskewitsch selbst
eine Contusion an der Hüfte erhielt, welche ihn nöthigte, sich
nach Jassy bringen zu lassen. Auch General Schilder, welcher
die Belagerungsarbeiten leitete und auf dessen Minenkünste man
hauptsächlich gerechnet hatte, ward am 13. Juni so schwer ver-
wundet, daß er bald darauf starb. Fürst Gortschakow, welcher
nach der Entfernung des Fürsten Paskewitsch den Befehl über-
nommen hatte, setzte das angefangene Unternehmen fort, als er
plötzlich von St. Petersburg den Befehl erhielt, die Belagerung
aufzuheben und sich mit allen seinen Truppen hinter den Sereth
zurückzuziehen. Der Abzug erfolgte in der Nacht zum 23. Juni,
von den Türken unbemerkt, daher auch ohne allen Verlust von
Belagerungsmitteln. Als eines der letzten Opfer der Belagerung,
welche den Russen 12,000 Mann gekostet haben soll, starb am
selben Tage der englische Obrist Butler an einer Wunde, welche
er wenige Tage vorher in Arab Tabia erhalten hatte; einige
Wochen später verschied sein gefeierter Waffengefährte Obrist
Grach, ein Preuße von Geburt, in Rnstschuck an der Cholera.
Die plötzliche Aufhebung der Belagerung Silistrias war eine
Folge der Politik Oestreichs, welches am 14. Juni eine Conven-
tion mit der Pforte wegen Besetzung der Fürstenthümer ab-
geschlossen und eine drohende Truppenaufstellung in der Flanke
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Belagerung Sebastopols.
263
bastopols. Anfang August 1854 waren 32,000 Engländer und
45,000 Franzosen bei Varna vereinigt; erst am 5. Sept. aber
konnten die Geschwader aus der Bucht von Baltschuck unter
Segel gehen, und zwar zunächst nach der Schlangeninsel, welche
als Rendezvous für die Transportschiffe ausersehen war. Am
14. Sept. ward die Landung von 58,000 Mann bei Eupatoria
glücklich bewerkstelligt. Erst an der Alma kam es (am 20. Sept.)
zu einem blutigen Zusammentreffen, welches die Verbündeten
unter dem Commando des sterbenden St. Armand zum Siege
führte. Die zwei nächsten Tage wurden von der Sorge für
die Verwundeten und das Begraben der Todten in Anspruch ge-
nommen, worauf man am 23. die Katscha überschritt und auch
den Belbek, ohne Widerstand zu finden, passirte. Indeß erfuhr
man hier, daß ein an der Ausmündung dieses Flusses belegenes
Fort die Ausführung des Planes, dort die Flotte ankern und
das Belagerungsmaterial nach der Nordseite der Festung schaffen
zu lassen, unmöglich machte. Man beschloß also, sich mittels
eines Flankenmarsches auf die südliche Seite Sebastopols zu
werfen und sich des Hafens von Balaklawa zu bemächtigen.
Dieses kühne Manöver wurde mit Glück ausgeführt. Die Eng-
länder trafen zuerst an Ort und Stelle ein, die Franzosen folgten
ihnen zwei Tage später. Sie standen jetzt unter dem Befehl des
Generals Canrobert, denn Marschall St. Arnaud hatte am
26. Sept. im Biwacht an der Tschernaja wegen seines Gesundheits-
zustandes das Commando niederlegen müssen. Schon seit Jahren
an einem unheilbaren Herzleiden erkrankt, hatte er sich dennoch
zur Uebernahme des Oberbefehls über die Orientarmee angeboten.
Die Ueberfahrt nach der Krim hatte sein Leiden verschlimmert,
und während der Schlacht an der Alma blieb er zwölf Stunden
zu Pferde, obgleich er die größten Qualen erlitt und zuletzt so
schwach wurde, daß er sich von zwei Ordonnanzoffizieren auf
den: Pferde erhalten lassen mußte. Ein Choleraanfall steigerte
seinen üblen Zustand bis zur Hoffnungslosigkeit und er begab
sich an Bord des „Berthollet", wo er am 29. starb. Sein Nach-
folger, Canrobert, 46 Jahre alt, war einer der berühmten „afrika-
nischen Generale", da er seit 1835 alle Feldzüge in Algerien
mitgemacht hatte.
Am 28. Sept. begann die Belagerung, deren Wechselfälle so
lange Zeit hindurch Europa, ja überhaupt die gesammte civili-
sirte Welt in Spannung erhalten sollte, welche wir aber hier
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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TM Hauptwörter (200): [T141: [Armee Metz General Paris Schlacht August Mac Franzose Mahon Festung], T129: [Schiff Hafen Flotte Meer Küste Fahrzeug See Kriegsschiff Land Dampfer], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat]]
Extrahierte Personennamen: August Balaklawa
Extrahierte Ortsnamen: Varna Eupatoria Katscha Tschernaja Alma Algerien Europa
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Neueste Geschichte. 5. Periode. Orientalischer Krieg.
nicht Schritt für Schritt verfolgen können. Die Weltgeschichte
hat kaunl eine Waffenthat wie diese zu berichten; denn nicht
blos daß hier Armeen gegeneinander fochten um den Besitz der
Einen Stadt, wobei die Rolle des Belagerers mit der des Be-
lagerten oftmals wechselte; daß die Kriegstüchtigkeit sich nicht
blos in der offenen Feldschlacht, sondern noch viel mehr im
Ertragen der Lagerbeschwerden, welche namentlich im ersten Win-
ter entsetzlich waren, zu bewähren hatte: so war dieser Kampf zu-
gleich ein Triumph der Erfindungskraft, indem sich der Erfindungs-
geist überbot, um Werkzeuge der Zerstörung oder Vertheidigung
zu ersinnen und ihre Herbeischaffung zu ermöglichen oder zu
beeilen.
Am 17. Oct. fand das erste Bombardement statt, wobei 116
Geschütze der Landbatterien ihr verderbliches Feuer gegen die
russischen Werke eröffneten, welche aus 250 Stücken des schwersten
Kalibers donnernde Antwort gaben. Allch die vereinigten Flotten
nahmen an dem Bombardement Theil, ohne sich eines erheb-
lichen Erfolges rühmen zu können. Der empfindlichste Verlust
der Russen, welche unter dem Commando des Fürsten Menschi-
kow standen, war der Tod des Admirals Kornilew, welcher
in dem Augenblicke, da er aus dem Portikus des Theaters trat,
wo er einen Befehl geschrieben, von einer Kanonenkugel getroffen
ward.
Am 28. Oct. machte Fürst Menschikow einen erfolgreichen
Angriff auf die Stellung der Engländer bei Balaklawa, wo-
bei durch unkluge Verwendung die englische Reiterei des Lord
Luc an zu Grunde ging; am 5. Nov. kam es zu einer aber-
maligen blutigen Schlacht bei Jnkerman, wo die Engländer
überfallen, mnthig, aber in Verwirrung, fast im Handgemenge
kämpfend, durch die rechtzeitige Hülfe der Zuaven gerettet wur-
den. Die Russen, welche unter den Augen der aus Petersburg
herbeigekommenen Großfürsten Nikolaus und Michael fochten,
mußten mit schweren: Verluste sich zurückziehen.
Es trat jetzt eine Art Pause ein, da man beiderseitig auf
Verstärkungen wartete; doch war diese Zeit verhältnißmäßiger
Waffenruhe mit schwereren Verlusten für die Verbündeten ver-
knüpft, als die Zeit des Kampfes. Fürchterliche Stürme auf dem
Schwarzen Meere zertrümmerten und zerstreuten die Transport-
schiffe, und die schlechte Witterung, in Folge deren die Lauf-
gräben fußhoch mit Wasser sich anfüllten, brachten Krankheiten,
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
TM Hauptwörter (100): [T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T15: [Schiff Flotte Hafen England Jahr Insel Engländer Meer Küste Kriegsschiff], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden], T51: [Armee General Schlacht Franzose Truppe Mann Feind Heer Metz Preußen]]
TM Hauptwörter (200): [T140: [Stadt Franzose Feind Festung Truppe Tag Mann Paris Belagerung Angriff], T88: [Türke Ungarn Krieg Rußland Kaiser Sultan Wien Jahr Frieden Polen], T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T91: [Geschichte Krieg Zeit Zeitalter Mittelalter Revolution Reformation deutsch Jahrhundert Ende]]
Extrahierte Personennamen: Fürst_Menschikow Nikolaus Michael